Akten der NS Finanzverwaltung digitalisiert

RBB24 berichtet unter der Überschrift  „Barbarei unter dem Aktendeckel“- dieser Titel trifft es sehr gut.

https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/02/landeshauptarchiv-brandenburg-digitalisierte-akten-enteignung-juden-ns-regime.html?

40 000 Akten der NS-Finanzverwaltung wurden vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv digitalisiert und online gestellt. Sie enthalten Informationen zu zehntausenden Menschen, die vom nationalsozialistischen Deutschland als jüdisch oder „reichsfeindlich“ verfolgt und ausgeplündert wurden. Akribisch haben die Nazibeamten Formulare ausfüllen lassen oder selbst ausgefüllt, die die Vermögenswerte vor der “Auswanderung” feststellen sollten.  Auch Menschen, die in Pommern geboren waren, finden sich.

Zum Beispiel die Akte von Heinrich Jacobsohn, jüdischer Religion, der am 30.11.1881 in Freienwalde Kreis Saatzig geboren wurde und seiner Frau Cerline geb. Levy, die aus Schönlanke stammt

https://blha-digi.brandenburg.de/rest/dfg/LwNxQJFostFKUCQR

Die Akten beginnen mit einer Kassenbuchseite, wo notiert wurde, welchen Erlös die Besitztümer der Personen erbracht haben und welche Ausgaben evtl. entstanden sind. Der Hausrat Jacobsohn war 405 Reichsmark wert. Heinrich arbeitete als Arbeiter in einer Maschinenfabrik in Reinickendorf mit einem Wochenlohn von 35 RM. Das Ehepaar wohnt zur Untermiete in einem Leerzimmer, die Miete betrug 40 RM pro Monat. Akribisch wird auch erfasst, welche Religion selbst der Vermieter hat. Die Tochter Margot ist am 5.5. 1923 geboren, lebt nicht in der Wohnung und ist vermutlich Krankenschwester.

Signatur: 36A (II) 17026
Titel: Jacobsohn, Heinrich
Laufzeit: 1943-1962

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Sturmflut 1914

Das Staatsarchiv Köslin – Archiwum Państwowe w Koszalinie –  erinnerte diese Woche mit einer Postkarte an die schwere Sturmflut 1914, die vor 110 Jahren viele Dörfer an der Ostseeküste schwer schädigte. Auch in Zeitungen außerhalb Pommerns wurde darüber eingehend berichtet, so daß man z.B. über das deutsche Zeitungsportal  entsprechende Berichte, die oft wortgleich in unterschiedlichen Zeitungen erschienen, finden kann.

Wanderkarte durch die Umgebung Ostseebad Sorenbohm bis Laase

 

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Das israelitische Erziehungsheim in Repzin und die Familie Baronowitz

Im „hintersten Hinterpommern“, im Dorf Repzin, zehn Kilometer von Schivelbein entfernt, existierte von 1901 bis 1930 eine Fürsorgeeinrichtung des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes. Bis zu 60 jüdische Jungen, von einfach nur Unartigen bis hin zu Kriminellen, verbrachten hier durchschnittlich ein Jahr, um sich zu „bessern“. Die Jungen mussten fernab ihrer Familien bis zu zehn Stunden am Tag hart arbeiten, wurden nachts in den Schlafsälen eingeschlossen und für Verfehlungen setzte es Prügel. Die Lebensbedingungen im alten Schloss waren alles andere als einfach. Ein baufälliges Gebäude, oft nur kaltes Wasser, ständige Geldnot und personelle Engpässe prägten den Alltag. 1930 wurde die Anstalt nach Berlin verlegt und ein Tuberkoloseheim des Kreiskommunalverbands Schivelbein zog in die alten Mauern ein.

Die Familie des Erziehungsdirektors Baronowitz trotzte den widrigen Bedingungen fast 30 Jahre lang. Adolf und Else Baronowitz rieben sich für die Jungen auf. Im Ersten Weltkrieg wuchs Else Baronowitz über sich selbst hinaus und vertrat ihren Mann nicht nur in den harten Jahren der Kämpfe, sondern auch während seiner Kriegsgefangenschaft. Ihre vier kleinen Kinder, die alle in Repzin geboren worden waren, musste sie sechs Jahre lang allein erziehen.

Adolf Baronowitz war ein Kämpfer, der sich nicht nur für die Jungen in Repzin, sondern auch für eine bessere Altersversorgung von Lehrern einsetzte. „Strenge, Arbeit und Belehrung“ war das Motto seines pädagogischen Konzepts, das lange Jahre akzeptiert wurde. In die reformpädagogischen Strömungen der 1920er Jahre passte er damit allerdings nicht mehr. 1929 musste das Ehepaar Baronowitz den Posten in Repzin räumen. Ein schwerer Schlag vor allem für Else Baronowitz – sie starb nur ein Jahr später mit 51 Jahren in Schivelbein.  

Die Judenverfolgung sollten nur der älteste Sohn Werner und zwei Enkel überleben. Adolf Baronowitz, seine Kinder Käthe, Ilse und Heinz und die Enkeltöchter Susanne und Eva wurden von den Nationalsozialisten ermordet.

Die vollständige Geschichte des Israeltischen Erziehungsheims in Repzin und der Familie Baronowitz mit vielen Nachweisen und Quellenangaben findet Ihr hier:

https://ahnenblog.globonauten.de/das-israelitische-erziehungsheim-in-repzin-und-die-familie-baronowitz/

Wie immer – ich freue mich über jede Anmerkung und Ergänzung sowie über jeden Verbesserungsvorschlag!

Franziska Tiburtius

Der erfolgreichste Beitrag in unserem Adventkalender 2023 war der über Franziska Tiburtius. Reichweite und Reaktionen waren um den Faktor 100 höher als es bei uns üblich ist. Wir haben uns daher entschieden, den im Sedina Archiv 4-2020 erschienenen Artikel über sie hier frei zugänglich zu machen.

Gedenktafel in der Berliner Alten Schönhauser Straße 23/24 für die Ärztinnen Dr. Emilie LEHMUS und Dr. Franziska TIBURTIUS; Foto: Arche-foto/Burkhart Rüchel/Wikipedia, 2011 (CC-by-sa 3.0/de)

Kürzlich erinnerte mich ein Bild im Internet wieder an eine der ersten deutschen Ärztinnen: Franziska TIBURTIUS. Die Gedenktafel am Haus Alte Schönhauser Straße 23/24 markiert den Ort der Poliklinik der Ärztinnen Emilie LEHMUS und Franziska TIBURTIUS in Berlin. Schon vor zwei Jahren hatte ich mit unserem Ansprechpartner Norbert Wewezer über die Genealogie dieser Ärztin aus Rügen gesprochen, die er mir kurz danach zusammengestellt hat. Endlich will ich nun den damals versprochenen Werdegang nachliefern.

In Deutschland sind heute ca. 70 Prozent aller zum Medizinstudium zugelassenen Personen Frauen. Wenn auch der Anteil der weiblichen Ärzte im Beruf und vor allem in Führungspositionen dann nicht mehr so hoch ist, spricht man dennoch von einer „Feminisierung“ der Medizin. Franziska TIBURTIUS aus Rügen war eine der Vorreiterinnen dieser Entwicklung. Als sie 1871 Medizin studieren wollte, war das in Deutschland noch nicht möglich, sie musste in die Schweiz ausweichen. Bei der Niederlassung 1877 in Berlin wurde ihr die deutsche Approbation verwehrt, und sie durfte nur im Rahmen der Gewerbefreiheit arbeiten, also keine Rezepte o. Ä. ausstellen. Das Großherzogtum Baden war 1901 dann der erste deutsche Staat, der Frauen zum Medizinstudium zuließ. Erst 1909 durften Frauen im gesamten Deutschen Reich Ärztinnen werden. (mehr …)

Adventskalender 2023

Im Jahr 2023 haben wir in unserem Adventskalender in den sozialen Medien mehr oder weniger bekannte Frauen und Männer aus Pommern vorgestellt. An dieser Stelle nochmal zusammengefasst.

01.12.2023
Wir starten mit Ewald Friedrich von Hertzberg, (* 02.09.1725 in Lottin; † 27.05.1795 in Berlin) Diplomat und Außenpolitiker in Preußen.
Biographie
Porträt

02.12.2023
Sibylla Schwarz (* 1621 in Greifswald; † 1638 ebenda), die “pommersche Sappho”, war eine deutsche Dichterin des Barock.
Mehr zu ihr auf: https://www.sibylla-schwarz.de/

03.12.2023
Martin Wehrmann (* 16.06.1861 in Stettin; † 29.09.1937 in Stargard in Pommern) war ein deutscher Historiker und Gymnasiallehrer. Er legte Grundlagen in der Erforschung der Geschichte Pommerns.
Seine Familie: https://www.pommerscher-greif.de/familie-wehrmann/

04.12.2023
Elise Troschel, geb. Schulz , (*15.06.1869 Köslin; † 06.11.1952 Oldenburg) war eine der ersten Frauen, die in Deutschland Medizin studierten. 1901 konnte sie das medizinische Staatsexamen ablegen.
https://geschichte.charite.de/aeik/biografie.php?ID=AEIK00125

05.12.2023
Klaus Granzow (* 10.09.1927 in Mützenow, Kr. Stolp; † 11.04.1986 in Hamburg) war Schauspieler und Schriftsteller mit dem Schwerpunkt Pommern.
https://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Granzow

Seine Erzählung über pommersche Christrosen:
https://www.pommerscher-greif.de/pommersche-christrosen/

Oder hören sie ihm zu:
https://www.pommerscher-greif.de/leise-rieselt/

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Zur Einführung der Reformation in Pommern

Nach dem 1846 in Stettin ohne Verfasserangabe erschienenen 2. Band einer Pomerania, für die „Pommersche Heimatkirche” bearbeitet von Friedrich Zuther.

erschienen in der “Pommerschen Heimatkirche” 1950/1951

In den letzten Lebensjahren Herzog Bogislavs X. (gest. 1523) verbreitete die lutherische Kirchenreformation ihre Wirkungen auch nach Pommern. Der tiefe Verfall kirchlicher Lehre und Zucht, der in Deutschland die Reformation hervorrief, herrschte auch in Pommern, obwohl auf dem bischöflichen Stuhle zu Kammin, besonders seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, tüchtige und gelehrte Männer saßen, die sich aber vergebens bemühten, eine neue durchgreifende Ordnung zu begründen. Der Lebenswandel der meisten Geistlichen stand im größten Gegensatze zu ihren Lehren und gab dem Volke Veranlassung zum Aergernis. Der Glaube – an die Heiligkeit der Diener der Kirche und an die Wahrheit der · gepredigten Lehren sank noch tiefer, als aufgeklärte Männer in dem Ablaßhandel, den Papst Leo X. in Deutschland durch den berüchtigten Tetzel betreiben ließ, nur eine drückende Gelderpressung erkannten, die ganz dazu geeignet war, das Ansehen der römischen Kirche noch mehr herabzuwürdigen. Auch nach Pommern waren 1518 zwei Ablaßkrämer gekommen, die aber hier keinen großen Erfolg zu verzeichnen hatten, weil ihnen das gesammelte Geld, das sie ihrer Gewohnheit nach in einer Kirchenlade aufbewahrt hatten, in Freienwalde nachts von den beiden Kirchenvorstehern gestohlen wurde.

Croy Teppich
Hochzeits- und Reformationsgedenkteppich Philipps I. von Pommern (Croy-Teppich) Peter Heymans, Public domain, via Wikimedia Commons

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Der jüdische Mühlenbesitzer von Schivelbein

Ein Beitrag von Julia Henke

Der große Backsteinbau am Eingang der Schivelbeiner Innenstadt begrüßt heute wie vor 100 Jahren die Besucherinnen und Besucher der Stadt. Zur alten Schlossmühle gehört die Villa mit der griechischen Statue und der Aufschrift „1912“, die jedem bekannt sein dürfte, der einmal in Świdwin oder Schivelbein war.

Der Eigentümer von Mühle und Villa war Anfang des 20. Jahrhunderts Max Salomon. (mehr …)

Heimatstuben in Schleswig-Holstein in 360°-Ansicht

Der Öffentlichkeit Einblick in Heimatstuben zu ermöglichen, das hat der Schleswig-Holsteinische Heimatbund sich im Jahr 2020 gemeinsam mit dem Land Schleswig-Holstein zur Aufgabe gemacht. Seitdem werden Heimatstuben des Bundeslandes besucht, die Einrichtung gefilmt und in 360° Ansicht digitalisiert.

Am 3. August 2023 ist dieses Projekt nun online gegangen. Zur Zeit können Interessierte 16 Heimatstuben digital besuchen. Sie finden hier auch etliche Heimatstuben der Ostgebiete, z. B. Stettin, Stargard, Saatzig, Kallies, Köslin-Bublitz, Danzig.

Screenshot Heimatstuben – Haus Stettin. Mit dem Klick auf das Bild gelangen Sie direkt zur 360° Ansicht.

Neben einem Rundgang bieten die jeweiligen Seiten auch weitere Informationen zur Geschichte der jeweiligen Heimatstube mit weiterführenden Links.

Das Ergebnis der aufwändigen Arbeit kann sich sehen lassen. Wer bisher noch keine Heimatstube von innen gesehen hat – hier ist die erste Gelegenheit dazu.

Ein persönlicher Besuch vor Ort lohnt sich natürlich trotzdem, denn die meisten Exponate können hier aufgrund der Menge nicht gezeigt werden. Es warten viele weitere Schätze, vor allen Dingen solche, die sich in den Urkunden- und Dokumentensammlungen verbergen, darauf, entdeckt zu werden.

Zum Begriff „Heimatstube“ gibt es im Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg eine Erklärung.