Zum Bäder-Antisemitismus in Pommern

Das diesjährige Sonderheft des Sedina-Archivs „Gebietsunterkunftsverzeichnis Pommern 1939“ enthält eine verloren geglaubte und sehr aufschlussreiche Quelle für die Familien- und Ortsforschung. Aufgelistet werden alle Hotels, Gasthöfe, Pensionen und Zimmervermietungen in Pommern sowie deren Betreiber. 

Einige Unterkünfte sind in der Liste nicht mehr vorhanden – die Herbergen jüdischer Betreiber. 1939 war die sogenannte „Arisierung“ jüdischer Unternehmen schon so weit vorangeschritten, dass es keine entsprechenden Betriebe mehr gab. Und auch jüdische Gäste waren 1939 nicht mehr vorhanden.

Der Antisemitismus im Tourismus und speziell in den deutschen Seebädern war jedoch deutlich vor 1939 entstanden. Seit 1910 veröffentlichte die jüdische „Central-Verein-Zeitung“ eine Liste von Kurorten und Gasthäusern, „deren Besuch unseren Freunden nicht empfohlen werden kann“.

In Pommern tat sich Zinnowitz auf Usedom besonders hervor. „Laut Prospekt war es stets das Bestreben der Kurverwaltung, das Bad von semitischen Kurgästen freizuhalten“, schrieb die Central-Verein-Zeitung am 29.03.1929. „Fern bleibt der Itz von Zinnowitz“ polterte das „Zinnowitzlied“, das man in den Zwanziger Jahren auf Postkarten verschicken konnte. Henkenhagen warb in Zeitungsanzeigen gar damit, dass sein Badestrand „stein- und judenfrei“ sei.

Vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten war es rechtlich zwar gar nicht möglich, Juden vom Besuch von Kurorten auszuschließen. Aber wer mochte sich im Urlaub schon anpöbeln lassen?

Hotels warben mit der eher verschämten Formulierung „christliches Haus“, aber auch ganz deutlich mit „Israeliten ausgeschlossen“ oder „Juden nicht erwünscht“. Oder sie dekorierten ihr Haus mit Hakenkreuzen. 

In der Folge etablierte sich eine Reihe von jüdischen Hotels und Pensionen in den Ferienorten der Ostsee. Kolberg verfügte 1910 über „6 jüdische Hotels und Pensionate und verschiedene Restaurants, die sämtlich gut florierten“ (“Jüdisches Badeleben in Kolberg”, Israelitisches Familienblatt 01.09.1910).

Zwei empfehlenswerte Bücher beschäftigen sich mit dem Thema:

Als Standardwerk kann man mittlerweile „Unser Hotel ist judenfrei“ von Frank Bajohr bezeichnen. Einen Überblick über das Thema gibt ein Vortragsskript.

Kristine von Soden lässt in „Ob die Möwen manchmal an mich denken?“ neben den Fakten auch Betroffene zu Wort kommen. Unter anderem Else Lasker-Schüler, Käthe Kollwitz, Victor Klemperer und Hanna Arendt erinnern sich an Ferien an der pommerschen Ostseeküste. Inhaltlich wie literarisch ein sehr gelungenes Buch.

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